Unveröffentlichter Leserbrief zu Wohnbauprojekte in Vinxel

Hier ein Leserbrief zum GA-Artikel „Wohnbauprojekt mit Oelbergblick: Neues Viertel in Vinxel fast fertig“ vom 27.11.2023, der vom Verlag nicht veröffentlicht wurde: 

Jedes Neubaugebiet bietet Chancen und Risiken, bedeutet immer einen Eingriff in bestehende Strukturen und erfordert gerade deshalb städteplanerisches und politisches Fingerspitzengefühl unter Berücksichtigung verschiedener Bedürfnisse und individueller Lösungen, wenn ein Ort lebenswert bleiben und ein Miteinander gelingen soll.

Warum werden die Neubürger des einen Vinxeler Neubaugebietes mit offenen Armen empfangen, während bei dem anderen bereits die Planungen auf Skepsis und Kritik stoßen? Dafür gibt es gute Gründe.

Zum einen: Äpfel werden mit Birnen verglichen. 

Ein Neubaugebiet auf der grünen (Pferde)Wiese in Ortsrandlage mit moderater Einfamilienhausbebauung und 16 Wohneinheiten in kirchlicher Erbpacht ist etwas grundsätzlich anderes, als eine massive, investorengetriebene Ortserweiterung mit 117 Wohneinheiten, teilweise in dreistöckigen Gebäuden mitten im Ortskern, auf historisch bedeutsamen Terrain, neben einem Baudenkmal, dort, wo Vinxel vor 850 Jahren begann. Die Diskrepanz dürfte für jeden ersichtlich sein. 

Zum anderen: Bürgerwille und ortsspezifische Ausrichtung hätten Berücksichtigung finden sollen. 

Wenn ausgerechnet an solch prominenter Stelle, wie auf dem Hobshofgelände, eine Nachverdichtung vorgenommen werden soll, hätten viele Vinxeler genau diese Mischung aus Sensibilität und Respekt für Bürgerwille, Historie und Dorfstruktur erwartet. Die örtlichen Gegebenheiten hätten das Maß aller Dinge sein müssen und nicht zur Randfigur verkommen dürfen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um eine kategorische Ablehnung von Bebauung, sondern um Kritik an deren Ausprägung und an der Art und Weise ihrer Umsetzung. 

Politik und Verwaltung rollten dem Düsseldorfer Investor und seiner Vorstellung von Gewinnmaximierung den roten Teppich aus und beschlossen ohne vollständige Auswertung und Berücksichtigung der Stellungnahmen der Vinxeler Bürger die Realisierung eines unverhältnismäßigen Bauprojektes in 0815-Architektur. Sieht so gelungene Bürgerbeteiligung aus? Wünschenswert wäre gewesen, VOR der Planung bereits klare Vorgaben für eine Bebauung festzulegen, einen Architektenwettbewerb auszuschreiben, umsichtig den (Denkmal)Bestand einzubinden und als Stadt das Heft in der Hand zu behalten. 

Insbesondere für die bereits in Vinxel lebenden Bürger hätte das Projekt ausgerichtet werden können, ganz im Sinne des generationenübergreifenden Wohnens. Dass so etwas gelingen kann, zeigt der Blick über den Tellerrand. 

Solche Chancen sind hier vertan worden. Statt dessen erwartet die Vinxeler im Jubiläumsjahr das Resultat einer verfehlten Baupolitik. 

Aber trotz dieses bitteren Resümees sollen die Bürger Bitteschön ihre gute Miene zu bösem Spiel behalten und selbstverständlich alle Neubaugebiete und deren Bewohner in Vinxel mit offenen Armen empfangen. Welche Vermessenheit, welche Ignoranz!

Dr. Mona Mollweide-Siegert, Bonn